Inhaltsverzeichnis
1. Inhaltsverzeichnis + Vorwort + Einleitung
2. Wetter ist nicht gleich Klima
3. Der Treibhauseffekt und die Treibhausgase
4. Unterschied zwischen Kohlendioxid und den Kohlendioxid-Äquivalenten
5. Typische Argumente von Klimawandel-Leugnern
6. Warum Erderwärmung als Temperaturdifferenz und nicht in absoluten Zahlen?
7. Die 1,5 °C- und die 2 °C-Welt
8. Bisher weitgehend unterschätzt: Kipp-Effekte
9. Kohlendioxid-Emissionen nach Ländern und Sektoren
10. Einige Kohlendioxid-Emittenten: Straßen-, Luft- und Seeverkehr
11. Sind Rinder und Kühe für den Klimawandel verantwortlich?
12. Natürliche Kohlendioxid-Senken: Ozeane, Moore, Wälder
13. Maßnahmen zur Emissionsreduzierung
14. Emissionskompensation und Emissionshandel
15. Rettet ein Stopp des Bevölkerungswachstums das Klima?
16. Wenn Kinder, Privatpersonen und Verbände Regierungen verklagen
Epilog + Literatur
Kontakt + Danksagung + Vita des Autors
Sie finden das Vorwort und die Einleitung als Kapitel 1 gleich anschließend, die Kapitel 2 bis 16 in der Kategorie „Kapitel 2 - 16“.
Kapitel 1: Vorwort + Einleitung
Liebe Leser,
Zunächst allen Besuchern dieser Website ein herzliches Willkommen. Schön, dass Sie auf diese Seite durch Themensuche im Internet oder durch den Hinweis eines Verwandten oder Bekannten gestoßen sind. Dieser Klimawandel-Report ist eine Mischung aus Fach- und Sachwerk und aktuellem Nachschlagewerk mit einer enormen Detailfülle. Stöbern Sie darin immer mal wieder, denn die Texte werden teilweise mehrmals wöchentlich aktualisiert. Dies unterscheidet www.klimalwandel-report.com von anderen Websiten zum gleichen Thema. Alle Kapitel auf einmal durchzuarbeiten dürfte ohnehin kaum möglich sein.
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Wer im 81. Lebensjahr einen umfangreichen Klimawandel-Report beginnt und dabei bewusst auch unangenehme Fakten und Schlussfolgerungen zur Sprache bringt, besser gesagt, bringen muss, muss wirklich beunruhigt sein. Ja, mich treibt seit über 25 Jahren die Sorge um unser zukünftiges Klima und die Frage um, wie damit unsere Nachkommen zurechtkommen werden. Enttäuscht bin ich, weil immer noch zu viele Menschen, Politiker und Industriemanager die Augen vor der Klimakrise verschließen und zu gleichgültig sind, etwa nach dem Motto „Was in 20 oder 30 Jahren passiert, betrifft mich ja nicht mehr“, oder die die Gefahr der Folgen des Klimawandels verkennen oder als überzogen ansehen. Politiker und Regierungen formulieren zwar allzu gerne Absichten, Vorschläge und Ziele zur Begrenzung der Erderwärmung, handeln dann aber gar nicht oder allenfalls halbherzig erst dann, wenn es nicht mehr anders geht. Jedenfalls wird der Klimawandel meiner Meinung nach heute immer noch stark unterschätzt, auch wenn er tägliches Thema in den Medien ist. Warnungen gab und gibt es jedoch genügend. So gelangte im Jahr 1972 der Club of Rome in seiner Studie "Grenzen des Wachstums" zur Erkenntnis, dass die Menschheit ihre eigene Lebensgrundlage zerstört, wenn sie weiter so wächst, produziert, verbraucht und Land, Luft und Ozeane verschmutzt wie bisher. 35 Jahre später, im März 2007, veröffentlichte der Stern in seiner Sonderausgabe "So retten wir das Klima ... und haben trotzdem Spaß am Leben" das Ergebnis seiner Umfrage "Ändern Sie Ihr Verhalten angesichts des drohenden Klimawandels?": 70 % der 1.004 Befragten antworteten mit einem NEIN und nur 28 % mit einem JA (2 %: WEISS NICHT). Ich gehe davon aus, dass sich die Zahl der Antwortenden mit JA mittlerweile deutlich vergrößert hat (siehe dazu den "Epilog" anschließend an Kapitel 16), auch wenn klar ist, dass notwendige deutliche Einschränkungen durch den Klimaschutz nicht gerade Spaß machen. Dies zeigte sich auch an dem Ergebnis der aktuellen Umfrage des Meinungsforschungsinstitutes Civey von März 2023 für das Portal WEB.DE, bei der 5.005 Befragte auf die Frage "Wären Sie bereit, für mehr Klimaschutz Ihren derzeitigen Lebensstil zu ändern?" folgendermaßen antworteten:
31 % mit "ja, auf jeden Fall" bzw. "eher ja"
12 % waren unentschieden
57 % mit "eher nein" bzw. "nein, auf keinen Fall".
Die Welt-Klimagipfel der Vereinten Nationen
Seit 1992 werden regelmäßige internationale Klimakonferenzen der Vereinten Nationen mit jeweils immer etwa 200 teilnehmenden Ländern und Tausenden Einzelpersonen organisiert. So fand die UN-Klimagipfelkonferenz COP26 im November 2021 im schottischen Glasgow mit über 30.000 Teilnehmern statt (COP = Conference of the Parties = Abkürzung für UN-Klimakonferenz), von Regierungschefs, Vertretern der Industrie und Energiewirtschaft, von Lobbyisten, Nicht-Regierungsorganisationen (NGOs), Umweltschutzorganisationen, Wissenschaftlern, Journalisten, Klima-Skeptikern und Klima-Aktivisten. Vom 6. bis 19.11.2022 folgte dann mit der COP27 im ägyptischen Sharm el-Sheikh die nächste Mammutkonferenz mit bis zu 35.000 Teilnehmern an Spitzentagen. Leider sind mit diesen internationalen Konferenzen auch gigantische Energieverbräuche verbunden. Allein bei der COP26 im damals gerade relativ kühlen Glasgow verursachte jeder Delegierte inclusive seiner Reise-Emissionen im Schnitt einen Treibhausgas-Ausstoß von rund 6 t. Im heißen Sharm el-Sheikh im November 2022 dürfte der Pro-Kopf-Ausstoß deutlich höher gewesen sein. Umso enttäuschender ist es, dass wie so viele internationale Klimakonferenzen auch COP27 weit hinter den Erwartungen zurückblieb, so dass für den Klimaschutz ein weiteres Jahr verlorenging. Zwar wurde in Sharm el-Sheikh nach fast drei Jahrzehnten (!) Diskussion auf den jährlichen Klimakonferenzen wenigstens ein gemeinsamer Geldtopf zum Ausgleich von Klimafolgenschäden in den armen Ländern beschlossen, doch wie und was und wer wie viel einzahlt, blieb offen. Wenigstens bestätigten die Delegierten ihre bereits während der COP26 in Glasgow gefällten Entscheidung, schrittweise aus der Kohle auszusteigen, eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Doch zum sofortigen und vollständigen Abschied von Öl und Gas war man in Ägypten nicht bereit, was besonders frustrierend war. Es gab auch, vor allem wegen der restriktiven Haltung Chinas, keine Forderung an die Länder, ehrgeizigere Klimaziele festzuschreiben, um das im Jahr 2015 bei der Weltklimakonferenz in Paris verabredete Ziel, die Erderwärmung bis zum Jahr 2100 auf 1,5 °C gegenüber dem vorindustriellen Niveau (d.h. 1850 - 1900) zu begrenzen, doch noch zu erreichen. Ausgesprochen wurde lediglich eine freiwillige und damit unverbindliche Empfehlung an die Vertragsstaaten zur Nachbesserung bis zur nächsten Klimakonferenz COP28 Ende 2023 in Dubai in den Vereinigten Arabischen Emiraten - wenn auch ohne jegliche Kontrolle.
Für jeden neutralen Beobachter muss die Diskrepanz zwischen dem Hauptziel der UN-Klimakonferenzen, bei der Rettung des Klimas entscheidend mitzuhelfen und den letztendlich verabschiedeten maßgeblichen Vereinbarungen enorm sein. Im Grunde muss man eigentlich froh sein, dass COP27 nicht ganz scheiterte.
Typisch für das halbherzige Tun der Staatengemeinschaft war bei der COP26 in Glasgow folgende Beobachtung: Mia Mottley, Premierministerin von Barbados, setzte einen Anstieg der globalen Mitteltemperatur bis zum Jahr 2100 von 2 °C statt 1,5 °C (dies sind Temperaturdifferenzen, die in Kapitel 6 erläutert werden) einem Todesurteil für die Menschen auf zahlreichen Inselstaaten gleich. Denn spätestens die jetzigen Kinder dieser meist sehr flachen Inseln werden ihre Heimat verlassen müssen; auf einigen erfolgten bereits Umsiedlungen in höhere Gebiete. Dabei sind alle Inselstaaten zusammen nicht einmal für 1 % des jährlichen weltweiten menschgemachten (anthropogenen) Treibhausgas-Ausstoßes verantwortlich, der die Klimaveränderung vorantreibt.
Auf der gleichen 13-tägigen Mammut-Konferenz wurde trotz bekannter Fakten für das gemeinsame Abschlusskommuniqué der Teilnehmerländer über die Formulierung zum Punkt „gemeinsamer Kohleausstieg“ stundenlang kontrovers debattiert. Am Ende einigte man sich darauf - hauptsächlich auf Druck von Indien und China - nicht den zunächst vorgesehenen Begriff phase-out (Ausstieg aus der Kohle bis 2030) zu verwenden, sondern das unverbindliche phase-down (langsame Reduzierung). In klaren Worten bedeutet dies nicht mehr Ausstieg, sondern nur noch Abbau der Kohleförderung. Wenigstens wurde in Glasgow - wenn auch nur auf dem Papier - den Zielen des früheren Pariser Klimaabkommens von 2015 ein Regelwerk gegeben und unter anderem beschlossen, bis 2030 die äußerst klimaschädigende Abholzung von Wäldern zu stoppen (siehe Kapitel 12). 140 Staats- und Regierungschefs hatten sich dazu verpflichtet, vier weitere Länder waren bis Mitte 2023 dazugekommen. Mehr als 100 Länder versprachen außerdem, künftig weniger Methanemissionen auszustoßen, immerhin ein kleiner Erfolg. Doch letztlich hakt es daran, dass die Maßnahmen (noch ?) viel zu schwach und die Kontrollen und Sanktionen, so es sie überhaupt gibt, fehlen. Viele Politiker streiten das auch gar nicht ab. So forderte auch der deutsche Wirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck auf dem G7-Weltwirtschaftsforum im Mai 2022 in Davos beim Klimaschutz ein deutlich entschiedeneres politisches Handeln in den nächsten Jahren, weil das was wir tun, so Habeck, viel zu wenig ist.
Ungerecht ist vor allem, dass der afrikanische Kontinent trotz seines geringen ökologischen Fußabdrucks besonders stark unter den Folgen des Klimawandels wie Überschwemmungen, Dürren, Bränden, Krankheiten oder Wüstenbildung leiden wird (Bild 1).
Was nicht allgemein bekannt sein dürfte: Bei den internationalen UN-Klimaschutzgipfeln geht es zwar um gemeinsame Ziele und Regeln für den Schutz des Klimas, doch die tatsächliche Umsetzung ist nicht mehr Sache der Klimakonferenzen, sondern ausschließlich Angelegenheit der Regierungen der Vertragsstaaten.
Das CO2-Restbudget
Über 30 Jahre gibt es bereits eine internationale Klimapolitik, bisher wie oben erwähnt meist nur mit wenig ambitionierten gemeinsamen Abschlussvereinbarungen. Sehr viel Zeit verbleibt nicht mehr. Wenn sich die Welt nach dem Pariser Klimaschutzgipfel 2015 (COP21) tatsächlich höchstens noch um 2 °C, wenn möglich nur um 1,5 °C gegenüber der vorindustriellen Zeit erwärmen darf, also 1850 - 1900, dann dürfen seit Januar 2020 bis 2030 für 1,5 °C Erwärmung bis Ende dieses Jahrhunderts weltweit insgesamt höchstens noch etwa 420 Milliarden Tonnen gasförmiges Kohlendioxid (= 420 Mrd. t CO2) in die Atmosphäre abgegeben werden. Dies ist das sogenannte globale CO2-Restbudget (CO2 ist wichtigstes Klimagas, siehe Kapitel 4). Daraus lässt sich pro Kopf der Bevölkerung leicht errechnen, wie viel die einzelnen Staaten höchstens noch emittieren dürfen, um eine weltweite mittlere Erwärmung von 1,5 °C mit 67 % Wahrscheinlichkeit nicht zu überschreiten. Doch drei Jahre später waren diese Prognosen bereits überholt. Die Weltwetter-Organisation WMO gab in ihrem neuen Bericht Mitte Mai 2023 bekannt, dass das CO2-Restbudget, dessen Freisetzung die Erderhitzung auf 1,5 °C begrenzt, Anfang 2023 nur noch etwa 250 Mrd. t beträgt und bereits in wenigen Jahren erschöpft sein wird. Mit einer Wahrscheinlichkeit von 66 % wird die Menschheit nach Stand von 2023 schon bis 2027 mindestens ein Jahr erleben, in dem die weltweite Temperatur um mehr als 1,5 °C über dem Normalwert des vorindustriellen Zeitalters - eigentlich das Ziel für das Jahr 2100 - liegt. Das ist zwar noch keine dauerhafte Überschreitung der im Pariser Klimavertrag vereinbarten 1,5 °C-Grenze, aber selbst die prognostizierte temporäre Überschreitung galt noch 2015 als sehr unwahrscheinlich. Und: die sich beschleunigende Erderwärmung wird nach der WMO dazu führen, dass eines der kommenden fünf Jahre das wärmste jeweils gemessene sein wird.
Allein im Kalenderjahr 2020 wurden weltweit fast 36 Mrd. t CO2 ausgestoßen (davon Deutschland 0,64 Mrd. t CO2, d.h. knapp 2 % des globalen Betrags), 2021 waren es nahezu 38 Mrd. t und 2022 etwa ebenso viel, wobei 2022 nur die Auswirkungen der Energiekrise eine Erhöhung verhinderten. Im Sektor Strom- und Wärmeerzeugung sind im Jahr 2022 die Emissionen wegen des Wechsels von Gas zu Kohle mit 14,6 Mrd. t CO2 um 1,8 % gegenüber dem Vorjahr gestiegen. Allein 15,5 Mrd. t CO2 wurden durch die weltweite Kohleverbrennung freigesetzt - so viel wie nie zuvor. Über die Hälfte des Kohleverbrauchs entfiel auf China, obwohl dort die strenge Corona-Politik in 2022 dämpfend auf die Kohlenachfrage wirkte. Das Jahr 2020 war bisher das erste Jahr, in dem weltweit die Emissionen als Folge der Corona-Beschränkungen zurückgingen.
Wie schwierig die Klimaziele zu erreichen sind, zeigt sich schon daran, dass die USA als einer der größten CO2-Emittenten und als großes Industrieland schon Ende 2021 ihr rechnerisches Pro-Kopf-CO2-Budget ausgeschöpft hatten. Somit dürfte das Land im Grunde schon seit Anfang 2022 keine klimaschädlichen Emissionen mehr ausstoßen, um seinen Beitrag zum globalen Klimaziel zu erfüllen. Ähnliches gilt auch für Kanada, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate, während Deutschland für eine 1,5 °C-Erwärmung noch einige Jahre Zeit hätte, China bis 2030 und die EU möglicherweise sogar noch bis zum Jahr 2033. Nur die bevölkerungsreichen Länder mit ihren gleichzeitig relativ geringen CO2-Emissionen haben noch größeren Spielraum.
Berechnungen zufolge liegt die Welt derzeit (2023) für 2100 auf einem 2,7 bis 3 °C-Kurs. Sollten wir tatsächlich bei + 3 °C als dem globalen Mittelwert landen, könnte die Erwärmung in einigen Regionen Deutschlands bei + 6 °C liegen - mit derzeit noch nicht übersehbaren negativen Konsequenzen für Mensch und Natur (siehe Kapitel 7).
Es muss an dieser Stelle gesagt werden, dass sich bei der Vielzahl der publizierten Studien von verschiedenen Stellen und Organisationen im In- und Ausland deren Aussagen und Prognosen unterschiedlich ausfallen können, schon weil unterschiedliche Szenarien vorausgesetzt werden (siehe Anmerkung auf der Startseite). Dies gilt für alle 16 Kapitel sowie den Epilog dieser Website. Doch aktuelle Mess- und Rechendaten zeigen, das die bisherigen Langzeitprognosen nicht nur mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit zutrafen, sondern zu vorsichtig ausfielen. So gab der europäische Klimadienst Copernicus in seinem 2023 veröffentlichten Bericht bekannt, dass der Sommer 2022 in Europa mit 1,4 °C über dem Durchschnitt der Jahre 1991 bis 2020 der wärmste seit Beginn der Temperaturaufzeichnungen war. Das gesamte Jahr 2022 war mit 0,9 °C über dem Temperaturdurchschnitt im gleichen Zeitraum das zweitwärmste (das bisher wärmste Jahr war 2020). Nicht überraschend lagen auch die Konzentrationen der Treibhausgase in der Atmosphäre, zu denen außer CO2 noch andere Gase zählen (siehe Kapitel 3), im Jahr 2022 auf einem neuen Rekordniveau.
Deshalb müssen die schädlichen Klima-Emissionen so rasch wie möglich sinken, woran es mittlerweile in der öffentlichen Wahrnehmung auch keinen Zweifel mehr gibt - die Klimawandel-Leugner ausgenommen. Ein Beispiel: Ein weiterer weltweiter massiver Verbrauch an Nahrungsmitteln dürfte laut einer neuen Studie bis 2100 für sich allein genommen die 1,5 °C-Marke reißen; es besteht sogar die große Gefahr, dass eine 2 °C-Erwärmung überschritten wird. Um nicht missverstanden zu werden - einzig durch die Ernährung der wachsenden Weltbevölkerung, wobei der Fleischverzehr den größten Einfluss hat! "Wir fressen das Klima", so titelte im März 2023 die Website klimareporter.de einen Kommentar dazu. Diese Prognosen sind mehr als beunruhigend. Schon heute haben sich nach dem 1990 erschienenen ersten umfangreichen Teil des Sachstandberichts des 1988 gegründeten Weltklimarats IPCC die Landflächen im Durchschnitt um 1,6 °C und die Meerestemperaturen um durchschnittlich 0,9 °C erwärmt (IPCC = Intergovernmental Panel on Climate Change; deutsch: Zwischenstaatlicher Ausschuss für Klimaänderungen; der IPCC erarbeitet für die UN wissenschaftliche Einschätzungen zum Klimawandel mit entsprechenden Handlungsvorschlägen; er stellt selbst keine eigenen Forschungen an, sondern sammelt und bewertet Tausende veröffentlichter Arbeiten; im März 2023 hat er seinen 6. Bericht als Synthesebericht veröffentlicht). Die Temperaturen in den Polarregionen steigen sogar mehr als doppelt so schnell wie in Gebieten der niedrigeren Breitengraden. Schon um 2030 ist nach dem IPCC bei der momentanen Entwicklung eine globale Erderwärmung, also Land- und Meeresflächen zusammengerechnet, um + 1,5 °C gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu erwarten. Dies zeigt, wie knapp die Zeit zum Handeln ist. Wir nähern uns in der Tat schon fast einer Notsituation.
Doch mit dem menschenverachtenden militärischen Einmarsch Russlands in die Ukraine am 24. Februar 2022 steht der Klimaschutz - hoffentlich nur vorübergehend - nicht mehr an erster Stelle der Prioritätsliste. Um von den bisherigen massiven Öl- und Gaslieferungen Russlands an Deutschland und andere EU-Staaten unabhängig zu werden und auch wegen der stark angestiegenen Preise für Öl, Gas und Elektrizität, gewann klimaschädlicher Strom aus der billigeren, aber klimaschädlichen Kohle wieder an Bedeutung, was wie oben angedeutet den CO2-Ausstoß weiter ansteigen ließ. Durch die veränderte politische Lage ergaben sich neue Fragen: Was ist, wenn Russland wegen der dort zurückgehenden Gasverkäufe an die EU noch mehr als bisher überflüssiges Gas abfackelt und so das Klima weiter stark belastet? Schon jetzt wird geschätzt, dass jährlich weltweit rund 150 Mrd. m3 Gas durch Abfackeln vernichtet wird; dies ist so viel wie ganz Deutschland jährlich an Erdgas verbraucht.
Die Bevölkerung (nicht nur die deutsche) leidet unter den stark gestiegenen Energiepreisen und versucht deshalb, Energiekosten im privaten Bereich durch Sparmaßnahmen in Grenzen zu halten. Zumindest dies kommt dem Klima zugute. Denn jeder einzelne Liter durch eine geringere Fahrgeschwindigkeit oder durch verbrauchsoptimierte Fahrweise oder einfach durch Stehenlassen des Autos weniger verbrauchte Dieselkraftstoff (bzw. Benzin) mindert den CO2-Ausstoß um 2,65 kg (Benzin: 2,33 kg/l). Jeder Liter weniger Verbrauch an leichtem Heizöl bedeutet ebenfalls 2,65 kg weniger CO2 und jeder Kubikmeter weniger Erdgas für die Heizung 2 kg weniger CO2.
Die Auswirkung möchte ich an einem Zahlenbeispiel aus dem Kfz-Bereich aufzeigen. Geht man davon aus, dass in Deutschland zurzeit rund 50 Millionen Verbrenner-PKWs zugelassen sind und setzt man ferner voraus, dass jedes dieser Fahrzeuge künftig jede Woche 1 l Kraftstoff weniger verbraucht, eigentlich ein leicht erreichbares Ziel, würde allein dies eine jährliche CO2-Minderung von ungefähr 6,25 Mio. t bedeuten. Bezogen auf die gesamte deutsche CO2-Emission aus allen Sektoren von ca. 647 Mio. t im Jahr 2020 entspricht dies 1 % (2021 stieß Deutschland ca. 679 Mio. t CO2 aus, in 2022 ca. 666 Mio. t; alle Angaben laut UBA, März 2023). Dies mag auf den ersten Blick wenig sein, aber jedes einzelne Prozent weniger CO2-Ausstoß in die Atmosphäre hilft, die Emissions-Einsparziele zu erreichen. Doch nach einem deutlichen Rückgang der Treibhausgas-Emissionen im ersten Corona-Jahr 2020 gab es 2021 in Deutschland, wie die hier genannten Zahlen zeigen, wieder Emissionssteigerungen in nahezu allen Bereichen, vor allem im Sektor Energiewirtschaft (+ 12,4 % gegenüber 2020), die allein für etwa 30 % sämtlicher deutscher Treibhausgas-Emissionen verantwortlich ist.
Man kann es nicht oft genug sagen, die Zeit drängt, denn mit jedem weiteren Jahr bis zum Greifen wirklich wirksamer CO2-Reduktionsmaßnahmen erhöht sich in der noch verbleibenden Zeit (bis 2030) die erforderliche jährliche Reduzierung. Umso mehr Anstrengungen sind dann nötig, um die Zielverfehlungen wieder auszugleichen. In Deutschland sind 2022 die gesamten Treibhausgas-Emissionen, also neben CO2 auch Methan, Lachgas und die F-Gase (siehe Kapitel 3), zwar mit 1,9 % gegenüber 2021 leicht gesunken, doch die (schwachen und deshalb nicht überzeugenden) Ziele der Bundesregierung bis 2030 wurden wieder einmal verfehlt. Um die bis 2030 noch erreichen zu können, müssen nun pro Jahr rund 6 % Emissionen eingespart werden. Ob dies erreicht werden kann, ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt fraglich.
Deshalb bezweifeln immer mehr Fachleute, dass das ehrgeizige Pariser 1,5 °C-Klimaziel noch erreicht werden kann (siehe Kapitel 6 und 7). Der globale Ausstoß von CO2 durch die Verbrennung fossiler Stoffe sank zwar im Jahr 2020 im Vergleich zum Vorjahr um rund 7 % (in der EU waren es sogar 11 %, in den USA 12 %), doch hauptsächlich wegen des Effekts der Covid-19-Pandemie. 2021 war dieser Effekt jedoch schon wieder verpufft. Es erfolgte sofort wieder ein Wiederanstieg der Emissionen, und zwar auf das höchste bisher erreichte Niveau. Besorgniserregend sind vor allem die seit Jahren ansteigenden Methan-Emissionen. Trotz des normalerweise für Abkühlung sorgenden Klimaphänomens La Niňa, das zwischen 2020 und 2022 wirkte, schritt die Erderwärmung weiter voran und machte das Jahr 2021 zum bisher sechstheißesten seit 1900. Durch das Schwesterphänomen El Niňo, eine unregelmäßige und anomale Erwärmung des tropischen Pazifiks, wurde es ohnehin überall wärmer. Um einen deutlich höheren Anstieg als + 1,5 °C bis 2100 zu vermeiden, müssten die weltweiten CO2-Emissionen bis zum Jahr 2030 um 48 % gegenüber dem Stand von 2019 sinken. Selbst wenn die Erwärmung erst bei + 2 °C gestoppt werden sollte, müssen laut IPCC von März 2023 die Emissionen bis 2040 halbiert werden und bis 2070 auf Netto-Null sinken. Beides sind ehrgeizige Herausforderungen, zumal der Klimawandel schneller voranschreitet als angenommen.
Mehr als schon in der Pandemie um das Virus Sars-CoV-2 hinkt die Politik beim Klimawandel trotzdem den jahrelangen mahnenden Aussagen der Klimaforscher nach wie vor deutlich hinterher. Dabei kam es schon ab etwa 1750 nach Aussage des IPCC zu ersten Anzeichen einer Zunahme der Treibhausgase in der Atmosphäre. Jahrzehnte sind verstrichen, seit Klimaexperten anfingen, immer wieder besorgt auf das Risiko und die Konsequenzen einer übermäßigen Erderwärmung hinzuweisen. Der IPCC hat schon in seinem ersten Bericht im Jahr 1990 eindringlich vor den Folgen des Klimawandels gewarnt. Heute wird erkannt, dass die Forscher in den späten 1980er- und frühen 1990er-Jahren keineswegs übertrieben, sondern mit ihren Prognosen eher noch sehr vorsichtig waren. Mittlerweile sind die ersten Vorhersagen der Wissenschaftler von damals bittere Realität geworden, viele wurden sogar übertroffen. Hätten die Regierungen der Länder schon früher ernsthafte CO2-Minderungen eingeleitet, wäre das globale 1,5 °C-Ziel vielleicht noch einzuhalten gewesen. Denn rund die Hälfte der von der Menschheit seit 1850 produzierten CO2-Menge wurde erst nach 1990 emittiert und etwa ein Fünftel sogar erst seit dem Jahr 2009.
Befürworter, Gleichgültige und Gegner des Klimawandels
Der Klimawandel ist heute alltägliches Top-Thema in den Medien. Doch noch vor zehn und mehr Jahren war die Situation in der Öffentlichkeit von breitem Desinteresse geprägt. Beispiele aus meinem eigenen Umfeld:
→ Selbst renommierte überregionale Tageszeitungen boten damals Klimaskeptikern, Klimaleugnern und den sogenannten Querdenkern durch die häufige Verbreitung ihrer obskuren Vorstellungen jahrelang ein Podium, das einen großen Teil der Leserschaft verunsicherte und möglicherweise sogar zu neuen Klimawandel-Skeptikern machte. Versuchte man, Redaktionen und Leserschaft durch Leserbriefe auf die Fakten hinzuweisen, wurden solche Zuschriften nur stark gekürzt wiedergegeben oder gar nicht abgedruckt.
→ Als ich im Jahr 2011 auf Einladung einen Vortrag „Müssen wir uns über unser Klima sorgen?“ hielt, zeigte sich auffälliges Desinteresse, denn im Vortragsraum saßen gerade mal vier Zuhörer.
→ Im Herbst 2015 kündigte eine Volkshochschule in ihrem Programm meinen zweiteiligen Kurs „Der Klimawandel – echte Bedrohung der Menschheit oder nur übertriebene Panikmache?“ an. Die Veranstaltung musste jedoch abgesagt werden, nachdem sich dafür nur zwei Personen eingeschrieben hatten.
Erst mit der Gründung von „Fridays for Future“ im August 2018 durch die schwedische Schülerin Greta Thunberg begann ein längst fälliger Denkprozess (Bild 2). Die soziale Jugendbewegung macht sich zwar mit ihren Forderungen zum Stopp der Erderwärmung nicht nur Freunde, weil bei ihr oft die ökonomische Konsequenz, z.B. der Verlust von Arbeitsplätzen, zu wenig Beachtung findet. Doch ihr Einsatz, Mut und Durchhaltevermögen verdient Achtung und Bewunderung. Denn die Aktionen der mittlerweile zahlreicher gewordenen Klima-Bewegungen haben in der Öffentlichkeit durchaus ein Umdenken bzw. wenigstens ein Nachdenken bewirkt und sie für das Klima-Thema sensibilisiert. Teilweise noch im Teenager-Alter dürften die meisten Aktivisten und ihre Sympathisanten meiner Ansicht nach zwar die überaus komplexen physikalischen und chemischen Zusammenhänge unseres Klimasystems kaum vollständig verstehen, aber sie ahnen, wie real und nahe die Bedrohung ihrer eigenen Zukunft geworden ist. Ihre ständige Forderung, wissenschaftliche Fakten endlich anzuerkennen und Taten folgen zu lassen, ist mehr als berechtigt - und längst überfällig. Wenn man Emissionsdaten vergleicht, stellt man fest, dass die globalen CO2-Emissionen trotz aller Appelle und Warnungen der Wissenschaftler zwischen 1990 und 2021 nicht etwa abgenommen haben oder wenigstens gleich blieben, sondern um fast 67 % zunahmen! Da nützt es recht wenig, wenn wenigstens Deutschland im gleichen Zeitraum seine CO2-Emissionen um 41,3 % reduzieren konnte (zwischen 1990 und 2021 wegen der im Nach-Corona-Jahr 2021 wieder angestiegenen Emissionen nur um etwa 35 %).
Nicht zu Unrecht warnte die Klimaaktivistin Aimée van Baalen von der Bewegung „Last Generation“ auf Einladung der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) die Delegierten im November 2022 in Magdeburg mit folgenden Worten: „Beim Klimaschutz genügt es nicht, möglichst viel zu tun. Erst wenn wir tatsächlich genug tun, um die Klimakipppunkte nicht zu überschreiten, sind wir sicher. Anderenfalls setzen wir eine Abwärtsspirale in Gang, es kommt zu unaufhaltsamen Kettenreaktionen, die die Erderwärmung unkontrollierbar verstärken. Die dadurch ausgelösten Umweltveränderungen werden die Menschheit über Generationen, wenn nicht sogar Jahrtausende nicht mehr in den Griff bekommen“ (Van Baalen, 2022).
Zahlreiche Zweifler, Egoisten, Querdenker, Mitglieder und Funktionäre der AfD, der frühere US-Präsident Trump und sogar Lobbyvereine von Klimaleugnern bestreiten heute erstaunlicherweise noch immer, dass der derzeitige Klimawandel fast vollständig von Menschen verursacht wird. Nicht selten wird sogar infrage gestellt, dass er überhaupt stattfindet - etwa mit dem Argument, es habe ja im letzten oder vorletzten Winter viel geschneit. Leider lassen sich diese Personen - ihre Zahl geht glücklicherweise zurück - nicht einmal durch grundlegende physikalische und chemische Fakten überzeugen, ignorieren die wissenschaftlichen Erkenntnisse und basteln sich aus zufällig passenden Beobachtungen ihr eigenes Klimasystem zusammen. Sie unterscheiden vor allem nicht zwischen den Auslösern der früheren natürlichen Klimawandel, bei denen die Menschheit noch nicht existierte, und den Ursachen des jetzigen anthropogenen Klimawandels als Folge der massiven fossilen Energienutzung. Der durch die Anti-Haltung entstandene Schaden ist beträchtlich, denn er hat die wichtige Klimapolitik um viele Jahre verzögert.
Nicht nur Politiker, Privatpersonen und Vereine zählen zu den Klimaleugnern, sondern auch große Energiekonzerne wie z.B. der US-amerikanische Ölriese ExxonMobil (Otto, 2019, Latif, 2020). Dem Unternehmen war nämlich schon in den 1970er-Jahren genau bekannt, dass es mitverantwortlich für den zu erwartenden Klimaverlauf ist. Trotzdem behauptete es - wahrheitswidrig - immer wieder, dass ein menschgemachter (anthropogener) Klimawandel wissenschaftlich nicht zu beweisen ist und unterband so den Beginn rechtzeitiger Maßnahmen zur Eindämmung der Erderwärmung.
Deshalb wurde ExxonMobil im Oktober 2018 als größter börsennotierter Ölkonzern der Welt von der New Yorker Staatsanwaltschaft angeklagt, weil er die Weltöffentlichkeit und Anleger über Jahrzehnte hinweg bewusst getäuscht hat (mehr zu Klimaklagen in Kapitel 16). Dabei hatte das Unternehmen intern selbst Forschungen über die Folgen des Klimawandels vorangetrieben, nach außen hin leugnete es trotzdem die Zusammenhänge. Etwa 20 Jahre lang schaltete ExxonMobil in der New York Times Woche für Woche Anzeigen contra Klimawandel, in denen es von Begriffen wie Wissenslücken, hoher Grad an Unsicherheit, unbewiesene Theorien usw. nur so wimmelte. Erst 2006 änderte der Konzern mit einem neuen Geschäftsführer auf Druck der Anleger und der Öffentlichkeit endlich seine Klimapolitik, beendete Zuwendungen an klimaskeptische Denkfabriken, investierte in ökologische Projekte und schlug sogar eine CO2-Steuer vor.
Ende Dezember 2022 machte ExxonMobil erneut von sich reden, als es vor dem EU-Gericht in Luxemburg (EuG) Klage gegen die EU erhob. Das US-Unternehmen wehrt sich gegen die Absicht der EU, besonders hohe Gewinne abzuschöpfen, die bei Öl- und Gasunternehmen wegen der Energiekrise angefallen sind. Mehr zum Thema "Recht und Klimaschutz" liest man in Kapitel 16.
Ziele von klimawandel-report.com
Mit dieser Website möchte ich mit den immer noch kursierenden Missverständnissen und Falschmeldungen aufräumen und die Besucher mit den Tatsachen vertraut machen. Panik auslösen möchte ich jedoch trotz aller berechtigten Skepsis über das Erreichen der Pariser Klimaziele nicht, doch auf die drohenden Konsequenzen hinweisen, falls die Erderwärmung weiter so zunehmen sollte wie bisher. Ich denke, dass damit das Verständnis gegenüber weiteren auf uns zukommenden unpopulären Maßnahmen zum Klimaschutz, wie z.B. jährliche Erhöhung des CO2-Preises in dem Sektor Verkehr und für das immer teurer werdende Heizen mit klimaschädlichen fossilen Brennstoffen, wachsen wird (siehe Kapitel 13). Ich positioniere mich zwischen den Klimaforschern mit ihrem großen Expertenwissen und modernsten Berechnungsmethoden, aber für die Öffentlichkeit nicht immer verständlichen Fachveröffentlichungen und jenen Journalisten und TV- und Radiomoderatoren, die den Klimawandel in ihren Sendungen thematisieren, selbst aber keine Klima-Experten sind. Dazu ein anschauliches Beispiel dafür, wie schnell die Öffentlichkeit durch eine zu oberflächliche, missverständliche oder falsche Berichterstattung getäuscht werden kann: Eine bekannte auflagenstarke süddeutsche Tageszeitung vermeldete im März 2023, dass die Verbrennung von E-Treibstoffen (E-Fuels, synthetische Treibstoffe) in Motoren genauso viel umweltschädliche Abgase erzeugt wie die Verbrennung von fossilen Kraftstoffen. Es stimmt zwar, dass auch E-Kraftstoffe wie E-Diesel und E-Benzin bei der motorischen Verbrennung das klimaschädliche Kohlendioxid (CO2) erzeugen, allerdings nur so viel, wie bei ihrer Herstellung aus der Luft (oder aus Industrieabgasen) aufgenommen wurde. Somit wird also kein neues CO2 frei. Dadurch gelten E-Fuels als klimaneutral, ganz im Gegensatz zu fossilem Öl, Diesel oder Benzin. Mein korrigierender Leserbrief dazu an die Redaktion wurde nicht abgedruckt und ein daraufhin an die Chefredaktion gerichtetes Schreiben nicht beantwortet.
Sachlich und ohne Schlagwörter und Worthülsen möchte ich die Klimawandel-Verharmloser zum Nachdenken bringen. Bewusst verzichte ich auf die Wiedergabe von oft gezeigten aufrüttelnden, inzwischen aber fast schon abgestumpften Fotos: Also keine Bilder von Eisbären, die auf einer winzigen Eisscholle im sonst weitgehend eisfreien Nordmeer treiben, keine wasserumspülten Häuser und Touristik-Hotels in Ufernähe, die durch den ansteigenden Meeresspiegel bereits im Wasser stehen und verlassen wurden, keine der über 60.000 bei den verheerenden Buschbränden in Südost-Australien zwischen Ende 2019 bis zum Frühjahr 2020 ums Leben gekommenen, schwer verletzten oder vertriebenen Koalas (insgesamt sollen rund 3 Milliarden Tiere getötet oder vertrieben worden sein), keine absterbenden Korallenlandschaften, keine toten Fische, die sich nicht rechtzeitig an die schleichende Wasserversauerung und die erhöhten Meerestemperaturen anpassen konnten.
Ich wünsche, dass meine realistische Darstellung durch die Vermittlung von Fachwissen dazu beiträgt, mehr Neugier und Interesse zu wecken und damit den menschgemachten Klimawandel besser zu verstehen und als Tatsache zu akzeptieren. Die Diskrepanz, vor der wir stehen, ist enorm. Auf der einen Seite darf bis zur Durchführung (mit einem Beschluss allein ist es nicht getan, noch weniger mit einer Vorlage oder einem Vorschlag) effizienter Emissionsreduzierungen keine Zeit mehr verstreichen, auf der anderen Seite sehe ich derzeit immer noch enorme Vorbehalte, Skepsis sowie Proteste zahlreicher Menschen, die den Klimawandel anzweifeln oder Gegenmaßnahmen dazu für übertrieben halten (siehe auch unter "Epilog" nach Kapitel 16). Es wird endlich Zeit, die Aussagen der Klimaforscher nicht länger als unglaubwürdig und ihre Schlussfolgerungen als falsch oder Panikmache anzusehen. Ein Beispiel, welche Folgen eine derartige Haltung haben kann, sehe ich in der verheerenden Megaflut-Katastrophe im Juli 2021 im Westen Deutschlands an der Ahr und Erft mit über 180 Toten, Hunderten von Verletzten und Schäden in Milliardenhöhe. Denn der Deutsche Wetterdienst (DWD) hatte damals bereits in den Tagen vor der Flut deutliche Hochwasserwarnungen ausgesprochen, doch die Warnungen der Meteorologen wurden nicht ernst genommen, missverstanden, nicht geglaubt oder nicht schnell genug an die zuständigen Krisen- und Katastrophenstellen weitergeleitet, weil das Warnsystem unzureichend war oder die verantwortlichen Behördenleiter in Urlaub weilten und ihre Vertreter sich vor der Verantwortungsübernahme scheuten. Schäden ganz anderen Ausmaßes richtete im Sommer 2022 der ungewöhnlich starke Monsunregen im südasiatischen Pakistan an. Er setzte etwa ein Viertel der Landesfläche unter Wasser und verursachte fast 1.400 Todesfälle. Dies ist aber erst der Beginn ...
Ein typisches Beispiel für die mitunter geringe oder fehlende Bereitschaft von Menschen, Unangenehmes zu akzeptieren und sich bei weltweiten Problemen solidarisch zu zeigen, sehe ich in der anfangs mäßigen Impfbereitschaft weiter Bevölkerungsschichten in Deutschland während der Covid-19-Pandemie ab Mitte 2021 und an den vielen Demonstrationen von Impfverweigerern, die ihren Verdruss überdeutlich artikulierten. Viele Menschen nahmen es offensichtlich recht gelassen hin, dass im Zusammenhang mit Covid-19 allein bis Ende April 2022 weltweit über sechs Millionen Menschen starben. Wenn jedoch die Erderwärmung nicht gestoppt oder zumindest entscheidend verlangsamt wird, drohen ganz andere Todeszahlen. Es könnte zu gewaltigen Migrationsbewegungen und zu kriegerischen Auseinandersetzungen mit Klimaflüchtlingen kommen, die ihre unbewohnbar gewordene Heimat verlassen müssen und gezwungen sind, woanders sicheren Lebensraum zu finden. Vorsichtigen Abschätzungen zufolge könnten dies schon bis 2050 mindestens etwa 200 Millionen Menschen sein. Und es gibt noch einen weiteren Punkt: Der Hunger in der Welt wird weiter zunehmen. Schon im Frühsommer 2022 litten nach einer Schätzung der Welthungerhilfe über 800 Millionen Menschen an Hunger, unter anderem auch wegen des Kriegs in der Ukraine. Dies heißt, dass schon jetzt jeder Zehnte der Weltbevölkerung nicht ausreichend zum Essen hat.
An unsere Enkel denken: was wir heute im Überfluss verbrauchen, wird in Zukunft fehlen
Rechtzeitige und weltweit abgestimmte Maßnahmen zur Vermeidung einer echten Klimakatastrophe und nicht nur einer Klimakrise sind deshalb die weitaus besseren und aus meiner Sicht die einzig denkbaren Alternativen, auch wenn sie leider recht drakonisch ausfallen müssen. Denn nur ein bisschen langsamer und etwas weniger Autofahren, nur weniger Urlaubsflüge, nur die Anschaffung eines E-Autos anstelle eines Verbrenners, nur etwas reduzierter Fleischverzehr, nur eine bessere Häuserisolierung, nur mehr Photovoltaikanlagen auf den Dächern und nur mehr Windkraftanlagen wird nicht ausreichen – vielmehr muss vieles gleichzeitig passieren (siehe Kapitel 13). Doch ein noch so starker Ausbau von Wind- und Solaranlagen (zumindest in Deutschland) reicht schon deswegen nicht, weil bei Windstille bzw. im Winter nicht genügend Strom erzeugt wird, also zusätzliche Backup-Gaskraftwerke benötigt werden. Erdgas ist aber alles andere als ein umweltfreundlicher Energieträger, denn bei seiner Verbrennung entstehen im Vergleich zu Erdöl bestenfalls 20 % weniger Kohlendioxid. Vor allem wird stark klimaschädliches Methan freigesetzt, das den Treibhauseffekt und damit die Erderwärmung verstärkt. Dazu kommt, dass Methan nicht nur bei der Verbrennung von Erdgas in die Luft gelangt, sondern schon bei der Herstellung und dem Transport. Ein möglichst schneller Umstieg auf grünen Wasserstoff ist deshalb für mich unerlässlich, auch wenn er wegen der aktuell geringen Produktionsmenge relativ teuer und seine Herstellung extrem energieaufwändig ist.
Klimaphysik und Klimachemie erschließen sich dem Laien meist nicht so rasch. Da weite Ausführungen dieser Website keine streng wissenschaftliche Abhandlung darstellen, sind einige Zusammenhänge sinnwahrend vereinfacht. Um den Textumfang zu begrenzen, war zudem Mut zur Lücke gefordert. Absolute Perfektion und Vollständigkeit sind deshalb in klimawandel-report.com nicht immer zu erwarten. Dennoch kann ich den Lesern in einigen Kapiteln eine vertiefte Darstellung mit zahlreichen Zahlenangaben, einigen (teils englischsprachigen) Diagrammen und Tabellen nicht ersparen. Doch ich habe versucht, die komplexen Sachverhalte in eine möglichst einfache Sprache zu formen. Ein Klimaroman sind diese Ausführungen nicht, können und wollen es bei der für alle sehr ernsthaften Angelegenheit auch nicht sein.
Ich baue darauf, dass Menschen im Kollegen-, Bekannten- und Freundeskreis die Erderwärmung künftig öfters in den Mittelpunkt ihrer Gespräche stellen. Ich wünsche mir, dass Eltern und Großeltern, auch wenn sie - wie ich selbst - die Auswirkungen der Klimakrise nicht mehr selbst erleben werden, das erworbene Wissen in ihren eigenen Worten an ihre Kinder und Enkel weitergeben (siehe Startseite). Ich wünsche mir ferner, dass Lehrer und Dozenten diesen Klimawandel-Report für ihren Unterricht nutzen. Die Bevölkerung sollte bei künftigen Wahlen vermehrt darauf achten, dass ihren Volksvertretern der Klimaschutz ein echtes Anliegen ist. Bloße Alibi-Aussagen sind nicht hilfreich. Es ist außerdem höchste Zeit, ein eigenes Unterrichts- bzw. Studienfach „Klimawandel“ an den Schulen und Universitäten zu etablieren. Nur dann kann bei den kommenden Generationen frühzeitig ein solides Klimabewusstsein und ein Verständnis für die Maßnahmen zum Klimaschutz entstehen.
Fazit
Eines ist klar: Einen weiteren Anstieg der Temperaturen wird zwar die Erde als einziger bewohnter Planet unseres Sonnensystems mit Sicherheit überstehen, wie sie dies in ihrer frühen Geschichte auch wiederholt bewiesen hat (siehe Kapitel 5). Doch diesmal geht es darum, zu prognostizieren, wie schwerwiegend die Langzeit-Auswirkungen auf die Menschheit und auf die Natur auf unserem massiv übervölkerten Planeten sein werden. Solange die Erde nur mäßig besiedelt und noch ohne Industrie war, blieb umweltwidriges Verhalten ohne spürbare Auswirkungen. Heute, bei acht Milliarden Menschen mit zunehmender Tendenz, globaler Industrialisierung, intensiver Energie- und Landwirtschaft und unserer Art zu leben und unsere Freizeit zu verbringen, gilt dies nicht mehr. Gefragt sind vielmehr Genügsamkeit und ein Abschied vom ständigen Wachstumsstreben der Gesellschaft - und zwar weltweit. Handeln wir doch bitte unseren Kindern und Enkeln zuliebe. Die Situation ist zwar sehr ernst, doch es gibt andererseits auch keinen triftigen Grund zur Annahme, dass eine folgenschwere Klimakatastrophe unausweichlich ist. Allerdings darf bis zum Umsetzen wirksamer Maßnahmen durch die Weltengemeinschaft möglichst keine weitere Zeit mehr verstreichen.
Uns Menschen wird durch die seit mehreren Jahren anhaltende Mehrfachkrise sehr viel zugemutet - fortschreitender Artenschwund, Arbeitslosigkeit, Wohnungsknappheit (in Deutschland), Inflations- und Zukunftsängste, finanzielle Sorgen vor allem im Alter, Hungerkrisen in vielen Ländern, umstrittene Corona-Politik, ins Stocken geratene Globalisierung, Lieferketten-Unterbrechungen, brutaler Krieg in der Ukraine mit allen Auswirkungen, hohe Verbraucher-, Immobilien-, Miet- und Energiepreise, unsichere Versorgung mit Medikamenten und wichtigen Rohstoffen und Produkten usw. usw. Nicht wenige von uns geraten dadurch von einem Erschöpfungszustand in den nächsten - oder werden zum Selbstschutz einfach gleichgültig.
So hart es sich auch anhört, die Klimafrage tangiert uns vor allen anderen Krisen am meisten. Sie könnte zur Überlebensfrage der Menschheit werden.
Horst Köhler, Friedberg
Online am 25. April 2022; erfolgte Aktualisierungen am: 10.9.2022, 28.10.2022, 20.11.2022, 1.2.2023, 22.3.2023, 24.4.2023, 15.6.2023, 10.8.2023
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